Piraten oder Separatisten oder Entführer?

Der steinige Weg nach Kamerun

Nigeria wollte mich nicht so einfach gehen lassen. 

Nun gab es drei Optionen für mich, nach Kamerun zu gelangen. Die meisten Motorradfahrer entscheiden sich für den Seeweg: man mietet ein kleines Boot, lässt das Moped von mehreren starken Männern darauf tragen und verbringt dann ein paar Stunden in der Bucht von Guinea auf hoher See. Der Start ist von Calabar in Nigeria und man landet dann in Kamerun, in der Nähe von Douala, der größten Stadt des Landes. 

Diese Option gefiel mir vom Anfang an nicht. Erstens hörte ich bisher nur vom Transport leichterer Motorräder, meine Maschine bringt allerdings wesentlich mehr auf die Waage, um einfach in die Luft gehoben und auf ein kleines Boot gebracht zu werden (später in Kongo ergab sich: das geht wohl doch). Dann hörte ich von einem bekannten Biker, dass er selbst statt sechs Stunden sechzehn Stunden auf dem Boot unterwegs war! Er meinte, dass er das nie wieder machen würde. Es sei eine schreckliche Erfahrung gewesen: er fror, hungerte und zitterte bei hohem Wellengang um sein Leben. Dann kam noch in den Nachrichten eine Meldung von BBC, dass ein norwegischer Frachter gerade wenige Tage zuvor von Piraten entführt wurde: direkt vor der Küste von Benin. Die Bucht von Guinea gilt seit einigen Jahren als Hotspot der weltweiten Piraterie, laut International Maritime Bureau. Ich dachte zwar nicht, dass das kleine Motorrad-Transportboot ein Leckerbissen für die Piraten werden würde, aber jede Ausrede war gut, um sich doch für den Landweg zu entscheiden.

Wenn es also nicht die Piraten sind, die auf die Reisenden von Nigeria nach Kamerun warten, dann sind es die Separatisten. Direkt nach der Grenze in Ekok beginnt das Separatistengebiet, das sog. Ambazonien. Ich muss ehrlich gestehen: bevor ich nach Afrika kam, hatte ich nie von der Republik Ambazonia gehört. Es ist ein Gebiet im Westen Kameruns, bewohnt von der anglophonen Bevölkerung Kameruns, ca. 20% der 25 Mio. Einwohner. Die englischsprachigen Kameruner fühlten sich seit Jahrzehnten unterdrückt und marginalisiert durch die Regierung in Yaoundé . Die Protestwelle startete 2016. Im Jahr darauf wurde die Republik Ambazonia ausgerufen. Die Zentralregierung weist alle Autonomiebestrebungen zurück. Auch auf internationaler Ebene wurde Ambazonien nicht anerkannt. Seitdem herrschen in den anglophonen Regionen im Nord- und Südwesten bürgerkriegsähnliche Zustände. Laut der UN (Amt für Koordinierung humanitärer Angelegenheiten) sind ca. eine halbe Millionen Menschen auf der Flucht. 

Durch dieses Gebiet führt also der „einfachste“ Weg von Nigeria nach Kamerun, mit dem Grenzübergang in Ekok. Ich plante tatsächlich auch diesen Weg zu nehmen. Und zwar nicht, weil ich lebensmüde bin, sondern weil ich hörte, dass es machbar wäre. Erstens hörte ich von anderen Reisenden, dass man von den Separatisten zwar gestoppt wird, aber nichts zu befürchten hat, außer einen intensiven Waffenanblick. Außerdem sind das keine Terroristen, sondern Freiheitskämpfer, die zu den Waffen griffen, weil sie sich den Unterdrückern widersetzen wollten. Dazu sprachen sie noch eine Sprache, in der ich mit ihnen kommunizieren könnte. Ich war mir fast sicher, dass wir uns gut verstehen würden. Darüber hinaus: ein Kontakt aus der nigerianischen Biker-Szene vermittelte mir einen Helfer, der an dieser Grenze wohnt und der bereit wäre, mich zu begleiten. Mit dieser positiven Einstellung fuhr ich also Richtung Ekok. 

Vor der geplanten Grenzüberquerung übernachtete ich in der Stadt Imok. Dort wohnt auch der hilfsbereite Biker Mohammed, mit dem ich dann kurz nach meiner Ankunft telefonierte und mich für den nächsten Morgen verabredete. 

Doch die Entwicklungen nahmen eine andere Wende. Am nächsten Morgen fuhr ich zur Grenze, um mich mit Mohammed zu treffen. Wie das halt so in Afrika läuft: er erschien nicht und meine Anruf blieben unbeantwortet. Kurz entschlossen fuhr ich dann alleine zur Grenze, in der Hoffnung, sie im Alleingang passieren zu können. Die nigerianischen Beamten waren echt nett, aber zögerlich. Ich müsse erst zur kamerunischen Seite laufen und fragen, ob ich reingelassen werde, bevor ich ein Ausreisestempel bekomme. So parkte ich mein Moped direkt vor dem nigerianischen Polizeiposten und lief zu Fuß über die Grenzbrücke nach Kamerun. Dann kam die Enttäuschung: wegen der angespannten Sicherheitslage werden keine Touristen reingelassen. Nur der Grenzverkehr bis zur nächsten Stadt wird bedient. 

Es blieb mir also nicht anderes übrig, als mich aufs Moped zu setzen, in den Norden zu fahren, und die letzte Option in Erwägung zu ziehen: die Umrundung von Ambazonien und der Versuch, die Grenze in den Bergen zu passieren, die wegen zwei Sachen berüchtigt war: Entführungen und extrem schlechte Wege, inklusive brückenlose Flussüberquerungen. 

Vor der Grenzüberquerung musste ich noch einen ungeplanten Notaufenthalt anlegen: einen abgebrochenen nigerianischen Hausschlüssel aus meinem deutschen Reifen rausholen und das Loch stopfen. Diese Operation gelang mir ziemlich gut und ich konnte meine Reise am nächsten Morgen fortsetzen.

Die Fahrt Richtung Gembu, einem Dorf, ca. 70 km von der Grenze entfernt, verlief ohne spezielle Vorkommnisse. Ich wurde nicht entführt und musste mich nur vor korrupten Polizisten und Soldaten behaupten. Darin war ich aber schon geübt und erzählte immer wieder die Story von meiner großartigen Weltreise durch Afrika, wie toll ich die Polizeibeamten in Nigeria finde und dass ich ein Buch über meine Erfahrungen schreiben werde. Das Geheimrezept ist einfach so viel wie möglich erzählen, die Leute nicht zu Wort kommen lassen. Irgendwann gibt jeder Polizist auf und wünscht Dir eine gute Weiterfahrt. 

Und das Problem mit den Entführungen scheint im Moment gelöst zu sein. Durch die große Polizeipräsenz (doch ein positives Beispiel für die Polizeiarbeit in Nigeria!) fanden schon seit längerem keine Entführungen mehr statt. Doch noch vor einem Jahr schrieb eine Bloggerin:

„Between Katsina Ala and Takum kidnappings are taking place!! Locals and foreigners are at aim. Ransom for locals 1 Million, for foreigners 15 Million Naira. Police is highly concerned. We were escorted by 5 armed men, payed 20.000 N for escort. Being escorted, we gave three guys a lift to Takum who had been held as hostages for 11 days and were heading home after ransom was payed by family members. Danger seems to be real!“ (orig. Schreibw.)

Laura Pfaelzner (Quelle: iOverlander)

Vorgewarnt fragte ich an jedem Polizeiposten, wie die Lage ist. Alle versicherten mir, dass der Weg sicher sei und ich sorgenlos weiterfahren könne. So fuhr ich weiter und erreichte am Abend das Dorf Wakili Buba kurz vor Gembu. 

Der Weg nach Kamerun ab Wakili Buba ist natürlich nicht ausgeschildert. Auf GoogleMap oder Maps.me findet man mehrere Wege, die nach Kamerun führen. Aber welcher ist der richtige? Welcher hat bessere und vor allem befahrbare Strecken? Wo sind die befahrbaren Flüsse? Wo gibt es weniger schmale klappernde Holzbrücken? Wo gibt es Dörfer mit Menschen, die dir weiterhelfen können? Als Tourist hast du natürlich keine Ahnung und weißt nicht mal, wo du anfangen sollst. So stand ich ahnungslos in der Mitte von Wakili Buba und überlegte, was ich machen soll. Nach ca. 3 Minuten hatten sich bereits zehn, fünfzehn „Zuschauer“ versammelt, die sich fragten, was der Fremde hier überhaupt will. Da die meisten auf ihren eigenen kleinen chinesischen Bikes saßen, kam ich auf die Idee, Profit davon zu schlagen: ich fragte in die Runde, wer den Weg nach Kamerun kennt. Ich bot Geld an und prompt meldete sich einer, der mich leiten wollte. Wir vereinbarten 5000 Naira (ca. 12€) und ich folgte meinem neuen Freund Ahmed ins Ungewisse. 

Die Entscheidung, einen Guide zu haben, war wirklich jeden Cent wert. Während der ca. fünfstündigen Fahrt bis zur Grenze war Ahmed nicht nur mein Wegweiser, sondern auch Helfer beim Motorrad-Hochheben, als ich auf Steinen fiel, was leider immer wieder passierte. Auf einem besonders schwierigen und steinigen Abschnitt, als ich einen Berg hochfahren musste, rief er sogar noch weitere Jungs aus dem Dorf, welches wir gerade passierten, zur Hilfe. Obwohl er sich gut auskannte, musste er auch selbst ab und zu fragen, welcher Abschnitt gerade befahrbar war. Ich hätte mich alleine wahrscheinlich mehrfach verfahren. Oder hätte es nie nach Kamerun geschafft…

Die Grenze an sich war zur Abwechslung nicht besonders schwierig oder kompliziert. Nette und kompetente Beamten auf beiden Seiten. Dann wurden aber die restlichen 30 km auf der kamerunischen Seite nicht leichter: es war genauso steinig und nass wie in Nigeria. Mit „nass“ meine ich drei Flussüberquerungen, davon zwei doch relativ leicht. 

Mit großer Erleichterung erreichte ich gegen 16:00 Uhr das Tagesziel: das Städtchen Banyo. Und es gab dort sogar eine asphaltierte Straße! Nach acht Stunden offroad war ich heilfroh, endlich wieder eine glatte Straße unter meinen Rädern zu fühlen!

Mein Offroad-Abenteuer in Kamerun war aber noch nicht zu Ende. Am nächsten Morgen wollte ich von Banyo nach Foumban fahren – nochmals 150 km super schlechte Straßen vor mir. Immerhin gab es keine brückenlose Flussüberquerungen, keine Sümpfe zu passieren, aber dafür Straßenabschnitte, die noch nie Asphalt gesehen hatten und nur durch Wettereinflüsse geformt wurden. Nicht sehr gelungen… Das Ergebnis: für diese 150km lange Strecke benötigte ich mal wieder 8 Stunden.

„This is Lagos“

Es gibt kein „Welcome to Lagos“-Schild vor der Stadt. Die Reisenden begrüßt ein bedrohliches „This is Lagos!“.

Nach den entspannten Reisewochen durch Westafrika bis einschließlich Benin, kam ich nach Nigeria. Ich muss ehrlich zugeben, ich hatte keine Ahnung, was mich erwarten wird. Ich bin heil aus dem Land wieder rausgekommen, aber ich müsste echt lange überlegen, ob ich Nigeria nochmals auf dieselbe Art und Weise bereisen würde. Es gab natürlich auch schöne Momente und ich traf tolle Menschen, aber insgesamt machte mir dieses Land wahrhaft Angst und es ist nicht so angenehm, ständig auf der Hut bleiben zu müssen. Aber vom Anfang an…

Die Anreise an sich war schon ziemlich anstrengend. Für eine Distanz von 100km ab der Grenze nach Lagos benötigte ich acht Stunden. Die Straße war in einem elendigen Zustand. Immer wieder Polizeikontrollen, manche gar ziemlich lustig, wenn sich die Beamten mehr für mein Motorrad als für meine Dokumente interessierten. Und dann der Stau des Jahrhunderts – kurz vor den Toren von Lagos. Statt wie geplant um 17:00 Uhr bei meinem Freund auf der Victoria Island anzukommen, war ich dort erst um 21:30 Uhr. Krzysiek machte sich schon Sorgen, denn – wie ich später erfuhr – genau dort, wo ich nichts wissend im Stau stand, wurde er schon ausgeraubt. Eine Gruppe von jungen Männern kamen zu seinem Auto als er im Stau stand, schlugen die Scheiben ein und nahmen sich aus dem Fahrzeug alles, was sie fanden. Später sah ich selbst auf einem Video, wie so eine Aktion verläuft. Jemand filmte einen Überfall von einer Brücke aus. Ziemlich erschreckend so etwas zu sehen. Mir blieb solch eine krasse Erfahrung erspart, obwohl ich an einem Tag in Lagos von einer Gruppe sich komisch verhaltender Männer gestoppt wurde. Diese wedelten mir vor der Nase mit geklauten (oder präparierten) offiziellen Ausweisen und wollten mir den Schlüssel aus der Zündung herausziehen. Hätten sie das geschafft, wäre ich wahrscheinlich ausgeliefert gewesen. Was sie genau wollten, konnte ich mir nur denken: höchstwahrscheinlich Geld. Meinem Keyless-System sei Dank, dass sie keinen Schlüssel in der Zündung fanden. Dieser steckte tief in meiner Jackentasche. Auch gelang es ihnen nicht bei meinem Freund Krzysiek, denn wir fuhren zu zweit an jenem Tag. Nach einer kurzen aber heftigen Diskussion, mit der Drohung, Polizei und die Botschaft zu informieren, liessen sie dann von uns ab. Lustigerweise verstanden sie das „D“ auf meinem Nummernschild als „diplomatic“ und rannten weg. So ein Glück, dass wir auf ein paar Deppen trafen. Aus Erzählungen weiß ich, dass man nicht immer so viel Glück in Lagos hat..

Die Stadt ist mir ihren 20 Millionen eine Riesenmetropole und dementsprechend unüberschaubar. Der Verkehr ist zu jeder Tages- und Nachtzeit unmöglich. Man kommt schlecht durch, insbesondere wenn man ein Ausländer aus Europa ist und sich in dem Chaos nicht zurecht findet. Wiederum gibt es eine ruhige, luxuriöse Oase: das Projekt „Eco Atlantic City“, ein Finanzzentrum und eine Planstadt, die auf einem Stück Land gebaut wird, das dem Ozean abgerungen wurde. Dort soll Wohnraum für ca. 300.000 Menschen entstehen. Von den geplanten mehreren Wolkenkratzern sind erstmal vier entstanden. Dort sollen Appartements Millionenbeträge kosten und mittlerweile seien alle bereits ausverkauft. An diesem Projekt zeigt sich die große Kluft zwischen arm und reich in Nigeria. Es gibt eine kleine Elite, die meistens mit Ölgeschäften reich wurde – der Großteil der Bevölkerung lebt allerdings in Armut. Das Projekt „Eco Atlantic“ wird auch unter umweltrechtlichen Aspekten stark kritisiert. Es starben bereits Menschen aufgrund von Überflutungen in der unmittelbaren Umgebung des Projekts. Es wird kritisiert, dass grundlegende Umweltstandards nicht eingehalten wurden. Ein entsprechendes Klimagutachten wurde erst drei Jahre nach Baubeginn erstellt. Kritiker behaupten, dass durch das Projekt Küstenerosionen an anderen Orten beschleunigt wurden. Die britische Zeitung „The Guardian“ sprach gar von einem Klima-Apartheid: es wird für die Reichen gebaut und die Leidtragenden sind die Armen.

So soll ein afrikanisches „Hong-Kong“ entstehen. Bisher sind auf dem 25qkm großen Areal nur wenige Häuser und das Straßennetz zu sehen. Böse Zungen sagen, das Projekt nie fertig wird. Auf jeden Fall ist das zurzeit ein schöner Ort, um eine Drohne fliegen zu lassen und die Stadt von oben zu filmen, solange man sich nicht erwischen lässt. Das Areal ist abgesperrt, man wird nur reingelassen, wenn man dort wohnt, oder einen Freund dabei hat, der die Security verwirrt.

Ein separates Kapitel verdient das Nachtleben in Lagos. Was ich erlebte, verdanke ich natürlich meinem Freund Krzysiek, der ein sehr bewanderter Nightlife-Nutznießer ist. Was ich am allerersten Abend noch lustig fand, war dann an den darauf folgenden Abenden nur erschreckend. Stell Dir eine große Bar mit schöner Musik und reichlicher Diversität an alkoholischen Getränken jeder Art vor. Ok, nichts besonders oder gar nichts verwerfliches daran. Dann aber, spätestens nach einem Bier und ca. 15 Minuten, merkst Du, dass das Publikum größtenteils aus zwei Gruppen besteht: aus weißen Männern, die im Schnitt ca. Mitte 50er sind, und schwarzen Schönheiten, die keine Zeit vergeuden wollen. Ich möchte weder die eine oder andere Gruppe bewerten. Ich fand es nur erschreckend, wie leicht man an Sex kommt. Diese Mädchen erzählen, dass sie als Models oder Stewardessen arbeiten. Bei ihrem Aussehen, kann man solchen Behauptungen auch leicht glauben. Was ihre Motivation ist, lässt sich erraten: sie suchen nach einem reichen Boyfriend (weiß=reich in Afrika), und wenn das nicht klappt, dann erhoffen sie sich mindestens Geschenke oder Geld nach so einem nächtlichen „Abenteuer“. Solche Bars gibt es weit und breit, die Prostitution scheint in Lagos zu blühen.

Ich verbrachte insgesamt über eine Woche in Lagos und hatte natürlich auch „normale“ Erfahrungen und Begegnungen. Ich lernte die hiesige polnische Community kennen, durfte in einem Jugendzentrum Kindern über meine Reise erzählen, besuchte eine berühmte Ausstellung der afrikanischen modernen Kunst der letzten 50 Jahre, mein Motorrad wurde fachgerecht inspiziert und ich lernte einen neuen Freund kennen: Toyin Adebola, der auf dem Motorrad die entgegengesetzte Richtung befuhr: er schaffte es bis nach Kiruna in Nordschweden! Stellt Euch mal Eure eigene Verwunderung vor, wenn Euch in Nordeuropa ein Afrikaner auf einem Motorrad mit nigerianischen Kennzeichen begegnet!

Nach Lagos ging die Reise in den Osten: nach Kamerun. Bis ich soweit war, durfte ich quer durch das Land fahren. Und diese Fahrt wäre richtig schön gewesen, wenn es nicht ein paar störende Faktoren gegeben hätte: kaputte Straßen, ständige Angst an jeder Kreuzung ausgeraubt zu werden, halsbrecherisches Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer, Nagel im Reifen, eine heftige Erkältung, Tiere auf der Fahrbahn, (angebliche) Entführungsgefahren – und das aller lästigste: korrupte Polizisten und Soldaten, die allesamt nach Geschenken oder Geld fragten. Ich entschuldigte mich jedes Mal, kein Geschenk dabei zu haben, denn ich sei ein Jahr lang unterwegs und meine Lagerkapazitäten für Geschenke seien sehr eingeschränkt. Die Kontrollen fanden nicht selten alle 1000m statt. Ein anderer Reisender, der drei Wochen lang in Nigeria mit dem Auto unterwegs war, hatte 229 Kontrollen gezählt. Es gibt 23 verschiedene Behörden, die Dich auf der Straße stoppen und kontrollieren (sprich: Geld oder Geschenke verlangen) können.

Ich gestatte mir jetzt mal alle aufzuzählen, es ist der reine Wahnsinn. Abgesehen von der „normalen“ Polizei und der Arme, findest du auf den nigerianischen Straßen Beamte der folgenden Behörden (Original in Englisch): Drugs, Customs, Immigration, Strike Force Team, MOPOL, Operation Zenda, Police Anti-Crime Division, VIO (Vehicle Inspection Office), Highway Safety, Highway Response, Nigerian Navy, Police Mobile Force, Federal Operations Unit, Nigeria Security and Civil Defense, Operation Wuta-Wuta, IMGH Security, Special Force Police, Anti-Robbery Team, Anti-Kidnapping Team, Federal Road Safety und zum Schluss (bitte nicht lachen) das Anti-Corruption Team. Angesichts der Sicherheitslage im Land scheint die Erfolgsquote der einen oder anderen Behörde sehr bescheiden zu sein.

Nach drei Tagen Fahrt durch das Land erreichte ich endlich die Grenze nach Kamerun in Ekok. Die nigerianischen Beamten waren sehr freundlich und wollten mich gar ausreisen lassen: unter der Bedingung, dass mich die Kameruner reinlassen. So ging ich zu Fuß über die Grenzbrücke und fragte die netten kamerunischen Grenzbeamten, ob ich rein darf. Die Antwort war: nein. Wegen des Konflikts mit den Separatisten werden keine Touristen reingelassen. Ich fluchte laut in meinen Gedanken und fuhr wieder zurück. Immerhin winkten die bereits bekannten Beamten am Kontrollposten freundlich zu und wollten mich nicht erneut kontrollieren.