Endlich in Afrika
Die Einreise nach Marokko war eine Zitterpartie. Die letzte Nacht in Spanien vor Aufbruch nach Afrika verbrachte ich auf dem Campingplatz in der Nähe von Tarifa. Vor mir trafen andere Biker ein: Barry aus Kilkenny (Irland) und Alex aus Moskau (Russland). Beide sehr erfahrene Motorrad-Abenteurer. Barry ist schon mal auf einer KTM aus Australien nach Irland gefahren, Alex durchquerte ganz Europa und war gerade auf dem Weg zurück aus Marokko. Seine erste Frage war:
»Hast Du eine Drohne dabei?«
»Klar, habe ich« – antwortete ich ohne zu zögern.
»Weißt Du, dass Drohnen in Marokko verboten sind?«
»Eeee, ja – aber…«
»Kein „aber“ – die Zöllner haben mir meine abgenommen.«
»Waaas?« – mein Herz ist mir in die Hose gerutscht. So eine Drohne kostet schon einen vierstelligen Betrag in Euro.
So, der Leser mag sich vorstellen, womit ich dann meinen Abend verbrachte. Mein Kopf dampfte vor Anstrengung: wie kriege ich die Drohne durch die Kontrolle! Eins war klar: ich muss riskieren. Ich kann mir doch die wunderbaren afrikanischen Landschaften nicht entgehen lassen! Was würde ich den Menschen später erzählen, die mich beneidet haben, dass ich mit der Drohne in Afrika super Landschaften abfotografieren und in die Orte fliegen kann, die man sonst mit viel Schweiß und Mühe hochklettern müsste! Mit meiner Höhenangst noch dazu! Nein, ich konnte die Drohne nicht wieder nach Hause schicken.
So habe ich einen verbrecherischen Plan ausgekaspert: ich wickelte die Drohne sorgfältig in mein Zelt ein, die Batterien wurden separat versteckt: eine in den Camping-Stuhl, die andere in die Matratze. Ich dachte nur: „Ok Arschlöcher, wenn ihr sie finden wollt, dann musst ihr euch schon anstrengen. Ich dachte mir auch schon einen genauen Ablauf aus: welche Tasche würde ich zuerst zeigen, wie lässig würde ich das Zelt auf den Boden werfen, wie würde ich mein ganzes Zeug auslegen – ohne zu vergessen, wie ich den ganzen Verkehr hinter mir durch meine Aktion blocken würde. Ich könnte gar mein Motorrad fallen lassen und ein tollpatschiges Opfer spielen. Das 400kg schwere Moped sollen sie mir dann natürlich noch helfen, hoch zu heben. Alleine hätte ich das Ding selbstverständlich niemals hochgekriegt (normalerweise schon). So bestens als Schmuggler vorbereitet, fuhr ich dann nach Algeciras zum Hafen. Ich dachte noch unterwegs: naja, vielleicht erwischt es einen anderen Biker, der dann auch etwas Verbotenes schmuggelt (Drogen, Alkohol, Zigaretten, die Bibel).
Ziemlich positiv eingestellt, dennoch mit ziemlich hohem Puls, kam ich am Terminal an.
Nach zwei Stunden Wartezeit, in denen ich mich noch darüber wunderte, warum man mindestens 90 Minuten vor Abfahrt erscheinen soll, wenn die Fähre erst 30 Minuten vor Anfahrt beladen wird, ging es los. Wir fuhren in das Innere der Fähre mit dem literarischen Namen „Poeta López Anglada“. Das Schiff begrüßte uns noch mit einer riesigen schwarzen Abgaswolke, die mir dem Atem raubte. Benebelt dachte ich nur, wenn der Luís López Anglada wüsste, wie sein Schiff die Umwelt verpestet, würde er sich im Grab umdrehen.
Nun aber die erste Enttäuschung: ich war der einzige Biker auf dem Weg nach Tanger. Wenn die Beamten heute unbedingt ein Motorrad durchfilzen wollen, haben sie nur mich. Mist!
Doch erstmal kam eine Reihe von Passkontrollen: die Erste on Board: zwei wichtig aussehende Grenzbeamten in Zivil saßen in einem kleinen Raum und haben die Dokumente geprüft. Dahinter entstand innerhalb von wenigen Minuten eine lange Schlage. Bis ich dran war, war die Fahrt schon fast vorüber. Die Prozedur war aber unspektakulär: der erste Beamte befragte mich was ich beruflich mache, wo ich hin will usw. Dann haute er zwei Stempel rein. Der zweite Typ, der kurz davor einem Belgier sein Reisepass nicht zurückgab (keine Ahnung warum), erschien etwas strenger. Er kontrollierte nämlich die Nummern der Pässe in seinem Laptop. Dazu nutzte er sparsamerweise nur seinen rechten Zeigefinger. So dauerte die Prozedur etwas länger. Meinen Pass erhielt ich dann doch gleich zurück. Die nächste Kontrolle kam beim Verlassen des Schiffes. Es wurde kontrolliert, ob die erste Kontrolle stattfand. Danach ging es weiter. An einem Kreisverkehr im Hafen winkte mich jedoch ein anderer Beamter weiter. Die wichtigste und die eigentliche Kontrolle, die in der Nacht zuvor meinen Schlaf beeinflusste, kam dann nach einer ewig langen Fahrt durch den Hafen. Kaum habe ich mich gefreut, dass ich eigentlich schon längst raus aus der Gefahr sein sollte, habe ich den Posten mit der Aufschrift „Duane“ gesehen. Alles klar. Jetzt habt ihr mich auf dem Teller – dachte ich nur, weil ich da nur sehr wenige Fahrzeuge gesehen habe, die gerade gründlich kontrolliert wurden. Die Zöllner lassen sich Zeit – nicht gut. Ich sah vor mir einen Transporter, dessen Fahrer seine ganzen Innereien (des Transporters, nicht des Fahrers) neben dem Fahrzeug auslegte. Und es war eine ganze Menge! Der Fahrer des Transporters musste wahrscheinlich nach 20 Jahre Exil in Spanien mit seinem ganzen Hab und Gut in die Heimat zurückgekehrt sein. Unzählige Kisten, Koffer, Möbel und Säcke standen jetzt neben dem Auto.
Jetzt war ich dran…
Ein junger Mann in Uniform kam mit ernster Mine und fragte nach den Fahrzeugpapieren und dem Reisepass. Er nahm die Dokumente entgegen und verschwand für 30 Minuten in seinem Büro. Ok, jetzt muss ich geduldig warten. Bloß keine nervösen Aktionen veranstalten. Also mal lässig am Motorrad gestützt ins Handy schauen – geht leider nicht so lange: noch kein Internet in Marokko. Ok, dann eben den Marokkaner anquatschen, der auch hier wartet. Schnell war mein Spanisch dann am Ende, da wir uns schon zuvor über irgendwelche Banalitäten ausgetauscht hatten. Der Beamte war noch nicht da… beobachtete mich aber bestimmt aufmerksam hinter den abgedunkelten und spiegelnden Fenstern seines Büros. Dabei unterhielt er sich bestimmt mit seinen Kollegen über mich und schaute grinsend auf die Uhr.
Bloß keine Unruhe in den letzten Minuten zeigen. Meine Gedanken schwingen zu meiner Freundin und den netten Beschäftigungen, die wir normalerweise Sonntagmorgens nachgingen: uns unterhalten über die weltberühmten Briefmarkensammler und ihre Kollektionen… oder so ähnlich.
Dabei musste ich bestimmt gegrinst haben. Glücklicherweise waren andere Reaktionen meines Körpers nicht zum Anschein gekommen.
Endlich kam der Zöllner mit meinen Dokumenten. Übergab mir diese mit einem neuen Zettel, den ich dann bitte nicht verlieren sollte, bedankte sich für meine Geduld und wünschte mir bon voyage. Keine Frage nach der Drohne!
Ich dankte ihm ebenfalls, stieg lässig aufs Motorrad, zog den Helm, die Handschuhe und die Sonnenbrille langsam an und fuhr davon. 500 Meter weiter, in dem Moment als ich ein lautes „Yeah!“ gedacht habe, sah ich den nächsten Kontrollpunkt vom Zoll. Mist! Der Typ hier hat bestimmt nur eine Aufgabe: die Motorradfahrer nach ihren Drohnen zu befragen. Ich hielt mit 180 Puls an. Es begrüßte mich jedoch ein lächelnder älterer Herr, der nur den Zollzettel sehen wollte, den ich vor gerade einer Minute erhalten hatte. Almanya? Ja – bestätigte ich. Das beste Land in Europa! – sagte er euphorisch, gab mir das Zolldokument zurück uns wünschte mir auf Deutsch „gute Fahrt.“ Ich liebe dieses Land – grinste ich noch und fuhr dann endlich nach Tetouan.