Planänderung

Um so wenig wie möglich Grenzübergänge und somit weniger Bürokratie auf mich nehmen zu müssen, sowie den Zeitplan etwas aufzuholen, plante ich ursprünglich einen kürzeren Weg: von Mauretanien nach Mali durch Burkina Faso und schließlich nach Benin, wo ich ein paar Tage länger bleiben wollte. 

Nun ergab sie die Reise nach Burkina als „bad idea“. Es erreichten mich immer wieder Neuigkeiten, die mich nachdenklich machten. Burkina Faso scheint „not the place to be right now“ zu sein – schrieb mir Chloe von der FB-Gruppe „West Africa Travellers“. Die Mitglieder der Whatsapp-Gruppe „Africa by moto“ konnten mir auch nur einen Rat geben: Ich solle die UN-Mission in Bamako aufsuchen und dort nach einem sicheren Weg fragen. Auch das deutsche Außenministerium empfiehlt mit Vorsicht, nicht nach Burkina Faso zu reisen: 

In allen Grenzregionen ist eine hohe Zunahme von terroristischen und kriminellen Aktivitäten zu verzeichnen. Entsprechend wird generell auch davon abgeraten, auf dem Landweg nach Burkina Faso einzureisen. Des Weiteren raten wir dringend von Reisen nördlich der Linie Koupela-Ouagadougou-Toma sowie westlich der Linie Toma-Dédougou-Bobo Dioulasso-Banfora ab.

Mehrfach wurden auch westliche Ausländer Opfer von offensichtlich gezielten Entführungen, wie im Dezember 2018, im Januar 2019 und zuletzt im Mai 2019 im Pendjari-Nationalpark auf beninischer Seite im Grenzgebiet mit anschließender Verschleppung nach Burkina Faso.

Da mir die oben erwähnten Orte aus meiner Routenplanung bekannt vorkamen, entschied ich mich auf Burkina zu verzichten. Die Familie und meine Freundin, sie alle atmeten tief auf. Nun war die einzige Alternative zu dieser Route, von Mali nach Cote d‘Ivoire, Ghana, Togo und Benin zu fahren. Blöderweise hatte ich die Visa für Mali und Burkina bereits. Für die neue Strecke natürlich nicht. 

Eine kurze Recherche ergab, dass ein Honorarkonsul von Côte d‘Ivoire in Nouakchott residiert. Aber ein Honorarkonsul? Kann er was? Es ist eher ein Amt für repräsentative Zwecke – dachte ich. Es schadet aber nicht, mal anzuklopfen und zu fragen. So fuhren wir los, Hachim und ich, um dem Konsul einen Besuch abzustatten. Ich war froh, dass Hachim dabei war, zur Not könnte er dann übersetzen, wenn ich mit Englisch nicht weiter kommen sollte. Wir klopften an und eine massive Tür wurde uns geöffnet. Wir wurden ins Sekretariat gebeten, wo eine junge Sekretärin in einem schicken gelben Kleidchen saß und mit ihrem Handy spielte. Hachim erklärte kurz, was wir wollten. 

Die Sekretärin erhob kurz ihren Blick zu uns: 

»Ja, das ginge schon, nur der Konsul ist nicht da.« 

Danach widmete sie ihre volle Aufmerksamkeit wieder dem Smartphone und teilte uns mit: »Wir sollen ihn dann anrufen, um zu erfahren, wann er kommt.« – Ich hob die Augenbrauen hoch. 

Hachim war aber schon am Handy und im Begriff den Konsul tatsächlich direkt anzurufen. Die Nummer nahm er einfach von der Website des Konsulats. Als sich der Konsul meldete, übergab Hachim der Sekretärin das Smartphone und sagte zu ihr: 

»Er ist dran, klären Sie das.« Und Wunder geschehen: der Konsul werde bald eintreffen und sich um die Angelegenheit kümmern. 

Nach einer Stunde war es so weit. Es wurde uns mitgeteilt, dass der Konsul uns erwartet. Wir gingen rein und sahen einen älteren Herren hinter einem Berg an Unterlagen, Mappen, Dokumenten und Fotos am Schreibtisch sitzen. Neben dem Schreibtisch stand ein Gewehr – vermutlich nicht als Deko gedacht. »Ob das gut gehen wird?« – fragte ich mich noch.

Der Herr lächelte uns aber sehr freundlich an und lud uns ein, Platz zu nehmen. Hachim begann dann auf Französisch zu erklären, was wir wollen, wo ich herkomme und ob der Konsul mit mir in Englisch sprechen könne, weil ich leider kein Französisch spreche. 

»Wieso Englisch? Kann er kein Deutsch?« – warf der Konsul auf Englisch. Hachim und ich schauten uns kurz erstaunt an. 

Dann sagte ich auf Deutsch: »Doch, doch – das kann ich natürlich. Sprechen Sie Deutsch?

»Ja, ein bisschen schon« – antwortete der Konsul auf Deutsch, aber das klang schon verdächtig gut! 

»Woher kommen Sie?« – fragte mich der Konsul weiter. 

»Baden-Baden« – antwortete ich vorsichtig.

»Ich bin aus Hannover« – sagte der Konsul und ich machte große Augen! 

Dann fiel mir auf, dass bei ihm im Büro ein Hannover96-Emblem an der Wand hängte! Wow, wie klein die Welt doch ist! 

In seinem Büro hingen überall alte Fotos! Mal er mit dem ersten mauretanischen Präsidenten, mal mit dem ivorischen Präsidenten und noch mit anderen hohen Politikern, die allesamt ihre Karrieren sicherlich schon in den 60-70ern beendet hatten. 

Er erzählte viel über die alten Zeiten der Gründung afrikanischer Staaten, der Euphorie über die Erlangung der Unabhängigkeit durch die westafrikanischen Länder usw. 

Er suchte dann eine Weile lang in seinen Unterlagen. Diese kam uns schon sehr lange vor, aber wir warteten geduldig und weiterhin schweigend. Ich dachte: 

»Ok, er sucht bestimmt irgendwelche Antragsformulare für meinen Visumantrag. Ist ja auch kein Problem. Er ist svhon ein älterer Herr und braucht Zeit. Wahrscheinlich kommt nicht jeden Tag ein Europäer und stellt bei ihm einen solchen Antrag.« 

Dann – nach ca. 30-40 Minuten, vorsichtig geschätzt – fand er, was er suchte! Es waren nicht die Antragsformulare, nicht die Instruktion, wie man ein Visum ausstellt und auch nicht die Preisliste mit den Visumgebühren. Es waren seine alten Fotos aus Hannover! Ich glaube, just in diesem Moment hatte ich meinen Mund breit geöffnet. Ich weiß nicht mehr, was mich mehr erstaunte: dass er jetzt doch keine Unterlagen suchte oder die Tatsache, dass ich aus den Fotos erfuhr, dass der ivorische Honorarkonsul, Monsieur Tidiane Diagana, in der Bundesliga bei Hannover 96 spielte, und zwar in 1965! Ich sah ihn als jungen Mann in Gesellschaft von seinem damaligen Trainer und anderen Spielern. Mir verschlug es die Sprache! Er erzählte von seiner Ankunft in Deutschland und über seine spätere politische Karriere in Afrika. Er zeigte uns noch mehr Fotos von ihm zusammen mit den afrikanischen Politikern von damals. 

Wir verbrachten gute drei Stunden im Konsulat. Davon entfielen wahrscheinlich zwanzig Minuten für meinen Visumantrag. Das Visum stempelte mir Monsieur Diagana dann direkt und höchstpersönlich in meinen Reisepass rein. Die Visumgebühr musste ich trotzdem bezahlen. Ich hoffte insgeheim, dass mir die Gebühren erspart blieben – schließlich war ich ja ein guter Zuhörer und sicherlich auch ein interessanter Ansprechpartner! Am Ende war ich aber natürlich nicht enttäuscht, sie doch zahlen zu müssen. Die Begegnung war so überraschend und spannend, dass ich wahrscheinlich am Ende jede Gebühr entrichtet hätte, selbst für diese unerwartete Begegnung. 

Nachtrag am 13. Oktober 2019: In Burkina Faso krachte es mal wieder. Gestern sind bei einem Anschlag in der Hauptstadt 15 Menschen ums Leben gekommen. Dieses Land kommt nicht zur Ruhe… 

„I am sorry Sir, I have no fish“

Sobald ich in Mauretanien ankam, kamen die ersten Kontrollposten der Polizei. Da ich in Marokko nur Gutes von der Polizei erfahren hatte, erwartete ich auch in Mauretanien keine Schwierigkeiten: bisschen quatschen, lächeln, das Moped erklären und weiterfahren. In der Tat sind auch hier die Polizisten nett und neugierig. Wenn sie einen in Mitten der Wüste stoppen, wollen sie sich ja auch unterhalten. 

Der einzige Unterschied zu Marokko besteht darin, dass sie von den Ausländern „fish“ verlangen. Jedes Mal wenn du gestoppt wirst, wirst auch nach dem „fish“ gefragt. Beim allerersten Mal machte ich große Augen. Die erste Frage war gleich:

»Fish?« 

»What?« – schaute ich verdutzt.

»Sorry Sir, what do you mean? What fish?« 

»Fish!« 

Wir kamen nicht weiter. Am Ende gab er mir ein Stück Papier und lies mich aufschreiben, wie ich heiße, wo ich herkomme, wo ich hinfahre, Nationalität, Marke des Motorrads, Reisepassnummer und so weiter. 

»This is „FISH“« – sagte er und deutete mit dem Finger auf den Zettel. 

Er meinte natürlich das französische „fiche“ für „Blattpapier“. Das Missverständnis war somit aufgelöst. 

Später musste ich noch unzählige Male anhalten und wurde jedes Mal nach dem „Fish“ gefragt. Hast Du keinen? Dann musst du an die Straßenseite fahren, dein Reisepass rausholen, Fragen beantworten, manchmal selbst per Hand alles auf Papier aufschreiben. Man kann ja schlecht den Verkehr dadurch beeinflussen und noch weniger einen Stau verursachen. Es dauert trotzdem ein paar Minuten bis du weiterfahren darfst. So habe ich jetzt in Nouakchott ein Papier erstellt und musste nur ein Copyshop finden, wo ich die Infos in fünfzigfacher Ausfertigung ausdrucken lassen konnte. Das müsste dann bis an die Grenze zur Mali ausreichen. 

Mauretania – hier beginnt Afrika

Die Überquerung der Grenze zwischen Marokko und Mauretanien bietet alle möglichen Attraktionen. In meinem Fall sogar noch eine zusätzliche: die Sorge, ob ich mich von meiner Drohne verabschieden musste. Bei der Anreise verlief alles zu meiner vollsten Zufriedenheit. Jetzt wartete die Ausreise auf mich… Zitternd näherte ich mich der Grenze. 

Es begrüßten mich etliche Passkontrollen, bevor ich überhaupt die Grenze erreichte. Irgendwann war es dann mal so weit. Ich stoppte kurz an dem Übergang in der Hoffnung, richtig zu stehen. Nein, leider falsch – es war der Zoll. Ich musste doch zuerst zur Grenzpolizei, den Reisepass abstempeln lassen. Ok, also wenden. Ich fuhr zwischen den LKWs auf die andere Seite des Grenzpostens. Leider auch falsch. Ich wurde darauf hingewiesen, dass zwar hier der richtige Schalter für die Passkontrolle sei, aber ich musste wieder zurück auf die andere Seite und dort parken. Ich näherte mich einer Gruppe der LKW-Fahrern, die an dem Schalter schon standen, um ihre Ausreisestempel abzuholen. Sie nahmen mir gleich meinen Pass ab und steckten ihn ganz unten in den Passstapel, der auf die Bearbeitung wartete. Nach blitzschnellen 30 Minuten kriegte ich meinen bestempelten Reisepass zurück und durfte dann… zum verdammten Zoll. 

Mit breitem Lächeln und positivem Gedankengut im Kopf kam ich an, stieg vom Moped ab und händigte dem Zollbeamten mit Stolz meinen Reisepass aus. Es erhoben sich gleich zwei von ihren Stühlen. Guter Zollbeamter und böser Zollbeamter – dachte ich. In der Tat: der eine mit einem Blick, als ob er bereit wäre, mich bis auf die Unterhose zu durchsuchen, der andere – nett, lächelnd. Nun begann die Prozedur:

»Öffnen Sie die Koffer und die Taschen« – warf der Böse mir zu.

»Alle?« – ich machte große Augen

»Ja, alle bitte« – antwortete der Nette. »Es wird nicht lange dauern« – ergänzte er noch fröhlich.

»Aber selbstverständlich« – erwiderte ich ebenso fröhlich und begann an den ganzen Schlössern, festgebundenen Flaschen, Spanngurten und allem was ich noch dabei hatte, zu fummeln. 

»Sir, ich bitte um Verzeihung, dass es so lange dauert. Das Motorradfahren ist sehr anstrengend« – warf ich noch zwischendurch, um den Beamten die Wartezeit zu füllen. 

»Ja, nehmen Sie sich Zeit« – antwortete der Nette.

»Haben Sie eine Drohne dabei?« – warf mir der Böse wie aus dem Nichts zu.

»Nein, habe ich nicht« – schaute ich ihm in die Augen und log direkt ins Gesicht. 

Scheinbar hatte er mir das tatsächlich abgekauft. Der Nette schaute noch kurz in meine Taschen rein. Fragte nach irgendwas, was das sei. Ich zog es heraus und erklärte, es sei ein Solarladegerät. Gleich nutzte ich die Gelegenheit, ihm die Funktionsweise zu erklären. Wir waren ja an der falschen Tasche und ich versuchte ihn so auch vom Weitersuchen abzulenken. Der Böse sagte dann, dass alles in Ordnung sei. Ich darf das Zeug wieder zusammenpacken. Ich entschuldigte mich noch, dass dies jetzt wieder lange dauern werde, damit er nicht doch auf die Idee käme, in die letzte Box reinzuschauen – die dann für mich ein gewisses Verlustrisiko mit sich gebracht hätte. 

So schaffte ich es, mich mal wieder als Schmuggler zu beweisen. Ich fuhr davon und lächelte innerlich sehr breit. Später kamen noch weitere Pass-Kontrollen, die ich aber mit größtem Vergnügen absolvierte. 

Nun war ich auf dem Weg nach Mauretanien. Ich hatte noch kein Visum und war gespannt, wie das jetzt alles weiter ging. 

Bevor man Mauretanien erreicht, muss noch ein Stück des „No-Mans-Land“ bewältigt werden. Am Anfang ist es noch asphaltiert und es stehen unendlich viele Trucks da, die nach Marokko einreisen wollen. Nach ca. einem Kilometer beginnt aber die Wildnis. Es gibt keinen Weg, keine Straße, einfach nur ein Stück Wüste, die du passieren musst. Mit allen möglichen Attraktionen: Sand, Felsen, Steine und einem Auto-Friedhof. Dort fanden Autos ihre letzte Ruhestätte, für die ihre Eigentümer keine Zollgebühren zahlen wollten. Die liegen einfach nur da und vergammeln in der Sonne. 

Nach langem Kampf (gekrönt mit einem kleinen Sturz im Sand) erreichte ich das Tor zu Mauretanien. Kaum angekommen wurde ich gleich in Empfang genommen. Es gibt Scharren von sog. Fixern, d.h. Grenzhelfern, die dich für eine kleine Gebühr an die Hand nehmen und dir alles zeigen, wo du hin musst und in welcher Reihenfolge. Ich las schon im Voraus darüber und dass man die Leute eigentlich nicht braucht. Man kriege schon alles selbst geregelt. So wehrte ich mich vor dieser Scharr an Gutmenschen, die einem Ausländer das Leben erleichtern wollten. Leider nicht ganz erfolgreich. Ich fiel Ahmeida Ould Bezeid zum Opfer. Er war super hartnäckig, trotzdem stets höflich und nett. Ich erklärte unzählige Male, dass ich alles selbst erledigen möchte und kein Geld für ihn habe. Er ließ nicht locker. Er packte mich an der Hand und zog mich von einem Posten zum anderen. Da er so sympathisch auftrat und den Anschein erweckte, dass er gerade in diesem Moment mein bester Freund war, folgte ich ihm. 

Wir gingen zuerst zu einen Grenzbeamten/Polizisten, der nur eine Aufgabe hatte: alle Neuankömmlinge in ein dickes Heft per Hand einzutragen. Nebenbei telefonierte er noch laut und ließ sich Zeit. Später ging es um das Visum. Ahmeida griff wieder meine hilflose Hand, zog mich zu einer weiteren Tür, ließ mich davor warten, nahm mein Reisepass und verschwand dahinter. Diese Stahl-Tür erschien mir wie ein geheimer Eingang zu einem dunklen Tunnel, an dessen Ende ganz viele mysteriöse vermummte Gestalten auf die nichts ahnenden ausländischen Touristen warteten, um sie dann auf eine gnadenlose Art und Weise zu durchsuchen, auszufragen und in den Extremfällen auszupeitschen und wegzusperren. Diese Tür hatte keine Klinke, lediglich gab es ein Loch in der Wand an der Stelle, wo das Schloss in den Türrahmen geschoben werden sollte. So steckte Ahmeida sein Zeigefinger in dieses Loch rein, schob das Schloss in die Tür und ging rein. Die Tür klaffte hinter ihm zu. Ein anderer Reisender, der gleich hinterher wollte, stand einfach verdutzt davor und glotzte die Schlossvorrichtung an, ohne den Mut aufzubringen, herein zu gehen. Er klopfte dann noch einige Male, gab schließlich auf und setzte sich zu den anderen Wartenden. 

Nach einer mir erscheinenden Ewigkeit (es waren eigentlich nur 30 Minuten), kam Ahmeida schließlich heraus und bat mich ihm zu folgen. Ich war so gespannt darauf, was für ein Labyrinth von Korridorren und Zellen sich dahinter versteckte! Und dann: es war einfach nur ein Büroraum, ca. 20m2 groß. An zwei Tischen saßen zwei in Arbeit vertiefte Beamten, an die Wänden gelehnt standen ein paar Leute, vielleicht um die acht oder zehn, die auf die Bearbeitung ihrer Visumanträge warteten. Ahmeida schien da richtig gut vernetzt zu sein, denn sein Kunde – ich – erhielt den einzigen Stuhl im „Wartebereich“. Ich setzte mich direkt gegenüber den – wie mir erschien – wichtigeren Beamten hin. Er trug ein weißes Hemd und Krawatte, was eigentlich überhaupt nicht zum Rest der Büroausstattung passte. Immerhin war das Büro mit Computern ausgestattet. Es war nicht die neueste Technologie, aber alles schien zu funktionieren. Dies wiederum war echt ein Wunder, weil alle Gerätschaften mit einer dicken Staubschicht bedeckt war. Kabel lagen überall im Raum herum, aus der Wand hing eine kaputte Steckdose. Die Wände wurden wahrscheinlich im ersten Jahr der Unabhängigkeit Mauretaniens gestrichen. Seitdem haben Generationen von Beamten in diesem Büro gearbeitet, jede zweite erhielt dann eine neue technische Ausstattung, der Raum blieb aber unverändert. 

Nun saß ich da und bestaunte die Vorrichtung. Nach einer halben Stunde bemerkte mich der Kerl mit der Krawatte. Auch kein Wunder – ich saß etwas ungünstig: seine Sicht auf mich war durch sein Bildschirm gesperrt. Dazu kam noch, dass mein Stuhl etwas tiefgelegt war, wahrscheinlich damit der Beamte auf seine Kundschaft von oben herab schauen und sie mit seinen Blicken einschüchtern konnte. Nun sah er mich auf ein Mal, etwas verwundert, dass da jemand wartete. Er bat mich um meine Fingerabdrücke, die ich dann auf einem professionellen Scanner abgab. Dann schaute ich tief in eine Webcam, um das Foto fürs Visum machen zu lassen. Später ergab sich dieses Foto als schwarzer Fleck auf dem Visumaufkleber. Ich zahlte 55 Euro für das Visum, denn bezahlen in Lokalwährung geht anscheinend nicht. Ich vermute, dass der Staat der eigenen Währung nicht vertraut oder nutzt die Touristen als Einnahmequelle für die härteren Währungen. Oder beides.

Mit dem Visum im Reisepass ging es dann weiter: zum Zoll, um 10 Euro für irgendein Stück Papier zu zahlen. Der Zollbeamte schaute zunächst grimmig, kannte aber meinen Ahmeida natürlich sehr gut. Und Ahmeida war auch sehr fürsorglich und stets zu Diensten. Er hielt ihm gar sein eigenes Handy als Taschenlampe hin, denn es war stockfinster in dem Raum. Die einzige natürliche Lichtquelle war die halb offene Eingangstür. 

Dann ging es weiter zur Grenzpolizei, Einreisestempel abholen. Leider kein Polizist da. Ahmeida ging auf die Suche und fand einen, der willig war, meinen Pass abzustempeln. Dennoch war die Odyssee noch nicht am Ende. Noch war die Einreiseschranke – eine tief hängende Kette – nicht offen. Wieder mal ging Ahmeida zu dem Wachposten, sie umarmten sich herzlich, sprachen eine Weile und Ahmeida machte mir dann die Schranke auf. Wohl bemerkt – nicht der Grenzpolizist. 

Anschließend wurde mir noch die Wichtigkeit und Notwendigkeit einer Versicherung erklärt, denn im Falle einer Polizeikontrolle könne ich große Schwierigkeiten bekommen. Weitere 10 Euro weg. 

Am Ende dauerte die ganze Prozedur über drei Stunden, vielleicht vier. Bezüglich Ahmeida hatte ich dann auch gemischte Gefühle. Er half mir in der Tat sehr. Ohne ihn hätte die Prozedur sicherlich länger gedauert. Ich hätte mich überall durchfragen müssen, wahrscheinlich hätte mich dann ein anderer „Fixer“ belästigt. Es war auch interessant zu sehen, wie mein Fixer an der Grenze gut „vernetzt“ ist. Ich wette meinen ganzen saharischen Wasservorrat darauf, dass er die Beamten dort schmiert. Im Interesse beider Parteien (den Fixern und den Beamten), gibt es dort keine Hinweisschilder, nichts was einem Reisenden die Grenzüberquerung erleichtern könnte. Ich habe Verständnis für die offiziellen Prozeduren, Visumgebühren, Zollvorschriften. Ich habe aber Bauchschmerzen bei korrupten Vorgängen, insbesondere wenn das zum Standard wurde. Ich habe Ahmeida die 10 Euro am Ende bezahlt. Er war ein sympathischer Kerl. Ich wage sogar zu behaupten, dass er mir geholfen hätte, auch wenn ich ihm nichts bezahlt hätte. Er opferte für mich drei Stunden seiner Zeit. Ich dachte, die 10€ hatte er sich verdient. 

Jetzt bin ich etwas erfahrener, was die Grenzüberquerungen anbetrifft. Man muss einfach überall hereinschauen und alle möglichen Uniformierten mit Fragen löchern. Wenn du kurz zögerst, kommt gleich ein „Helfer“. Und wenn du Pech hast, triffst Du einen, der dir vielleicht nicht nur helfen will. 

Willkommen in Afrika – dachte ich und fuhr nach Nouadhibou. Nach 1000 Metern kam die erste Polizeikontrolle.

Die letzte Etappe in Marokko/Westsahara

Nach meinem Offroad-Abenteuer bei Toudra und Dades schwor ich mir, nie wieder Offroad! Ich will doch nicht ganz am Anfang meiner Reise das Moped kaputt machen. Dieses Vorhaben ergab sich aber gleich am nächsten Tag als nicht realisierbar. Ich entschied mich den Weg von Ouarzazate nach Taznakht über die Straße P1507 zu nehmen. Eine Alternative wäre eine 200 km lange Umfahrung. Ermutigt durch meinen russischen Motorrad-Freund Alex, nahm ich dann diese Strecke. Denn unterwegs sollte die berühmte Oase Fint liegen, die schon für diverse Hollywoodproduktionen als Kulisse diente. Die Straße war tatsächlich in Ordnung. So fuhr ich seelenruhig 80 kmh und bestaunte die Gegend. Ich fühlte die Offroad-Wiedergutmachung. Das Glück wurde dann kurz unterbrochen, als ich den Abstecher nach Fint machen wollte. Die Zufahrtsstraße war mehr als renovierungsbedürftig und ich steckte nach ein paar Metern im Sand fest. Dank des Oasen-Wächters (keine Ahnung, was sein Aufgabenspektrum umfasst) konnte ich mich dennoch befreien, machte noch ein Erinnerungsfoto und verschwand zurück auf die gute Straße.

Über die Straßen in Marokko lässt sich viel sagen. Es gibt alles, was man begehrt und hasst: von einer neu asphaltierten Straße in Top-Zustand über alte löchrige Wege bis hin zu  „theoretisch befahrbaren“ Wegen in ausgetrockneten Flussbetten, die nicht mal den Namen Weg verdienen. So dachte zumindest, als ich noch in Marokko unterwegs war. Ich schreibe diese Zeilen aus Mauretanien und meine Meinung hat sich gerade kategorisch geändert: Marokko‘s Straßen sind exzellent! Alles Frage der Perspektive… Doch aber vom Anfang an.

Eine große Besonderheit in Marokko, wenn man mit dem eigenen Fahrzeug unterwegs ist, sind die sehr häufigen Polizeikontrollposten. Im Landesinnere von Marokko wurde ich immer durchgewinkt. Die Lage änderte sich, als ich Richtung Süden fuhr. Kurz vor der (in der Wirklichkeit nicht existierenden) Grenze zwischen Marokko und Westsahara fangen die intensiven Kontrollen an. Die ersten zwei waren eigentlich nicht ganz ernsthaft gemeint. Ich wurde angehalten, weil sich ein Polizist langweilte und zeigen wollte, dass er Spanisch spricht. Sein Polizeikollege war dann auch richtig angetan, dies zu erfahren. Der Zweite hielt mich an, nur weil er das Motorrad sah und selbst ein BMW-Fan sei. Wir unterhielten uns ein paar Minuten über die neuesten BMW-Modelle. Er kannte sich aus! Dennoch keiner von beiden Beamten wollte meine Dokumente sehen. 

Am nächsten Tag liefen die Prozeduren schon etwas anders. Ich konnte kaum erwarten, was die Polizisten mich alles fragen möchten. Ich kam auch endlich in Westsahara an und von nun an waren die Kontrollen auch zum Kontrollieren da. In den meisten Fällen musste ich meinen Reisepass zeigen, meinen Beruf erklären, die Nationalität mitteilen und über sonstiges informieren: wo ich in Marokko einreiste, Marke und Typ des Motorrads, wo ich übernachtete und wo meine Reise weiterführen würde. Nach dem zehnten Mal konnte ich das dann auch fließend auf Französisch sagen. Wäre ich noch weitere zwei Wochen in Marokko unterwegs gewesen, wäre ich sicherlich in der Lage, dies auch auf Arabisch wiederzugeben. Trotzdem verlief jede Kontrolle etwas anders. Es gab streng aussehende Beamte und super coole Typen. Manche waren entzückt, jemanden aus Deutschland zu treffen, einige erbost, weil sie sich mit mir nicht in Französisch unterhalten konnten. Ich habe von Polizisten Weintrauben und Kekse bekommen. Es gab sogar einen, der sich entschuldigte, mich gestoppt zu haben. Obwohl ich dadurch Zeit verlor, empfand ich diese Pausen als eine willkommene Abwechslung zur flachen und etwas öden Wüstenlandschaft. Ich muss echt sagen: alle Polizisten waren super korrekt und einige noch sehr nett dazu. Ob sie mich dann auf französisch was böses oder freches fragten, z.B. „Kannst du mir deine Uhr geben?“, das kann ich aufgrund meiner Französisch-Kenntnisse nicht beurteilen.

Neben Polizei waren auch sehr viele Armee-Stützpunkte unterwegs in Westsahara zu sehen. Verständlich, aufgrund des noch nicht beigelegten Konflikts. Nach dem die Kolonialmacht Spanien aus Westsahara 1975 abzog, marschierten die marokkanischen Soldaten auf Befehl des Königs ein und annektierten einen Großteil des Territoriums. 1991 wurde ein Waffenstillstand vereinbart und die Befreiungsfront des sahrauischen Volkes, die sog. Frente Polisario, kontrolliert seitdem einen schmalen Streifen im Osten des Landes. Die Vereinten Nationen verlangen die Durchführung eines Referendums, um das Volk über den endgültigen völkerrechtlichen Status des Gebiets entscheiden zu lassen. Bisher konnte keine Einigkeit erzielt werden. Die Gespräche scheitern an der Wahl der Referendum-Frage nach dem künftigen Status. Neben der Frage nach Integration mit Marokko oder Autonomie wollen die Sahrauis ebenfalls die Ergänzung um die Frage nach einer vollständigen Unabhängigkeit. Damit ist aber Marokko nicht einverstanden. Auf dem besetzten Gebiet werden dafür Tatsachen geschaffen. Marokko investiert massiv in die Infrastruktur, baut Windparks und betreibt eine aktive Siedlungspolitik. Vergebens suchst du irgendwelche Zeichen, dass du in einem Gebiet mit Sonderstatus bist. Unterwegs sah ich immer wieder riesige marokkanische Flaggen und in öffentlichen Einrichtungen, Hotels nicht weniger große Portraits des Königs. 

Meine Erzählung über die letzten Tage in Südmarokko, bzw. Westsahara wäre nicht vollständig, wenn ich nicht noch paar Worte über die Städtchen erzählen würde, die mich empfangen haben und ziemlich sonderbare Hotels anboten. Das Erste war Boujdour. Ich las eine kurze Rezension über das Hotel Jawhara auf iOverlander und freute mich über den niedrigen Preis: 100 Dirham, ca. 10 Euro. Ein Biker erwähnte auch, dass man das Moped sicher unterbringen kann.

Und tatsächlich: mein Motorrad erhielt ein Parkplatz im stillgelegten Hotel-Restaurant auf einem Teppich! Was für ein Luxus! Wie großartig müsste dann mein Zimmer aussehen! – dachte ich noch. 

Das Zimmer sah auf den ersten Blick zwar nicht außerordentlich schön aus, eher bescheiden: mit zwei Einzelbetten, das Zimmer zwar ohne Fenster aber mit einem Schrank, einer Kommode und sehr wichtig: eigenem Badezimmer mit Dusche! Der Hotelbesitzer zeigte mir alles und reparierte noch schnell in meiner Anwesenheit die Dusche: er schraubte den Duschkopf an den Schlauch wieder dran und lächelte verlegen. Dann wünschte er mir einen schönen Aufenthalt und verschwand. 

Normalerweise müsste man sich dann nach einem langen Tag ins Bett legen und mindestens ein Stündchen von der Fahrt erholen. Die Dusche ließ mich aber nicht in Ruhe. Warum lag der Duschkopf neben dem Schlauch? Ein Gast vor mir musste wahrscheinlich die Wahl getroffen haben: lieber ohne Duschkopf als mit einem kaputten. Ich checkte selbst die Vorrichtung. Mir kam ein richtiger Spritzer entgegen! Der Duschkopf sprang aus der Halterung und ich wurde naß. Ok – dachte ich – lieber Hotelbesitzer, das hast Du alles bestimmt mit Absicht gemacht und dachtest, ich werde mich mit damit abfinden, wie der Gast zuvor, und mit dem Schlauch in der Hand duschen. Zugegeben, ich erwog auch diese Option, verwarf sie jedoch. Ich werde Dich mal in Bewegung setzen, Du fauler Sack – dachte ich und ging zur Rezeption. Ich musste es nicht lange erklären, worin mein Problem bestand. Der Typ nahm gleich vier andere Zimmerschlüssel in die Hand und wir gingen auf die Suche nach Ersatzteilen für meine Dusche. In einem Zimmer fanden wir einen neuen Duschkopf, im anderen eine Dichtung. Alles zusammen ergab bei mir im Bad eine tatsächlich einwandfrei funktionierende Dusche. 

Berauscht durch den Erfolg und mein Durchsetzungsvermögen entschloss ich mich, mir das Zimmer genauer unter die Lupe zu nehmen. Die Abwesenheit eines Fernsehers störte mich noch nie – also nicht der Rede wert. Die Kommode, die nur noch ein Viertel der Glastür besaß, war auch in Ordnung. Dass der Wasserhahn super langsam tropfte, war schon problematischer. Um die Zahnbürste nass zu machen, musste man sie ca. 2 Minuten drunter halten. Aber hey – ich habe jetzt eine tolle Dusche, die richtig gut funktionierte! 

Zurück im Schlafzimmer wollte ich noch den Kleiderschrank inspizieren. Die Bauweise ist schon besonders. Der Schrank entstand anscheinend zeitgleich mit dem Raum. Später montiert man halt nur die Schranktüren daran – und fertig. 

Ohne böses zu ahnen öffnete ich diese Schranktür. Ich blieb wie eingemauert stehen. Ich sah eine Riesenkakerlake auf dem oberen Regal! Die war so groß! Bestimmt so lang wie mein Mittelfinger. Sie bewegte ihre Antennen, die genauso lang waren, wie die selbst. Unsere Blicke trafen sich. Scheiße! – dachte ich. Das zählt schon als mittelgroßes Haustier, das ich gerade in seinem Domizil störte. Das Domizil war ja auch richtig eingerichtet. Überall lagen schwarze Kügelchen, deren Verwendung und Funktion ich nicht sofort erkennen konnte. Höchstwahrscheinlich war das der zu erwartende Nachwuchs, da ich auch in der Ecke eine weitere Monsterkakerlake sah. Ein Pärchen! Ich habe so etwas noch nie gesehen. Ich musste denen Namen vergeben! Kevin und Chantal erschienen mir passend. Chantal rührte sich nicht, Kevin schien neugieriger zu sein. Er nahm seinen ganzen Mut zusammen und kam in meine Richtung. Ich zuckte! Ist er jetzt sauer auf mich? Ich lass sie lieber in Ruhe. Ich nahm noch ein paar Fotos auf, um sie dann in der App hochzuladen und den anderen potentiellen Gästen nicht vorzuenthalten. Dann schloss ich die Tür. Das Knacken in der Spalte zwischen Schrank und Tür deutete daraufhin, dass sich Chantal doch bewegte und ihre neue Position sehr unglücklich auswählte. Kevin wurde zum Witwer. Und ich verbrachte die Nacht in meinem eigenen Schlafsack. 

Nach dieser Erfahrung wollte ich dann die nächste Nacht unbedingt in meinem eigenen Zelt auf einem Campingplatz verbringen. Das klappte leider doch nicht. Ich fuhr nach Dakhla ins Stadtzentrum und fand ein neues Hotel. Wieder entschied ich mich bei der Hotelwahl für das Kriterium der sicheren Unterbringung für mein Motorrad. Zumindest hatte ich so eine Sorge weniger. Im Hotelzimmer wird es schon irgendwie funktionieren. Einfach die Pobacken beim Duschen zusammenhalten – es wird schon nichts passieren. Das Hotel war aber teuer – ob sich das im Standard der Unterkunft wiederspiegelt? 200 Dirham, ca. 20 Euro wollte der Hotelbesitzer haben. Die nette Empfangsdame wäre wahrscheinlich geneigt mir entgegen zu kommen, durfte das aber nicht. Der Boss kam. Ich fragte, ob ich für 150 Dirham bleiben kann. Er meinte, dass er mir schon einen Sonderpreis anbot. Normalerweise koste das Zimmer 300 Dirham. Wir haben noch hin und her verhandelt und dank meiner Verhandlungstaktik durfte ich am Ende die ursprünglichen 200 Dirham bezahlen. Das Zimmer war aber im Vergleich zum Hotel in Boujdour das Geld wert. Doppelt so viel bezahlt – dafür zweimal kleinere Kakerlaken bekommen. Außerdem hatte ich ein Fenster und hinter dem Fenster eine Moschee mit Minarett! Cool – dachte ich – ich muss den Wecker nicht mehr einstellen!

Ich lief noch am selben Tag durch die Stadt. Dakhla ist unter den Kitesurfern ganz bekannt! Die wunderschöne Lagune liegt aber meilenweit vor der Stadt und hat eigene Hotel- und Camping-Infrastrukturen. Das Stadtzentrum ist – um es undiplomatisch auszudrucken – super hässlich. Bestimmt auch funktional, mit allen möglichen Geschäften, Restaurants und (jetzt ganz im Ernst) einem echt tollem Gemüse- und Fischmarkt. Ansonsten bietet sie leider weder architektonische Höhepunkte noch kann mit raffinierter Stadtparkgestaltung begeistern. Nett einmal da gewesen zu sein. 

Am nächsten Morgen wollte ich noch schnell eine Postkarte und Briefmarke holen. Der Erste spontane Gedanke: das Postamt müsste welche haben. Wie falsch. Ich fuhr hin, stellte mein Moped vorm Gebäude ab. Lächelte einen Soldaten an und fragte ihn in meinen Gedanken, ob er kurz auf meine Maschine aufpassen könnte. Er lächelte zurück! Alles klar – das Moped ist sicher. 

Auf der Post wurde mir schon geholfen. Nach einer ca. 10-minutigen Diskussion gelang es mir zu erklären, was ich wollte. Ein Angestellter kam mit mir raus und zeigte mit dem Finger auf ein Papierladen, ca. 100 Meter weiter, wo ich angeblich alles bekommen könnte, was ich brauche. Ich lief hin (dachte noch an den guten Soldaten, der über mein Moped wacht) und ging in das Geschäft rein. Dort konnte ich tatsächlich die Briefmarken bekommen! Leider wusste niemand, wie viel sie wert sein sollen. So nahm ich einfach zwei für insgesamt 8 Dirham. Postkarten kriegte ich keine. 

Also zurück zur Post. Es stellte sich heraus, dass ich für Europa eine Briefmarke im Wert von 9 Dirham brauche. Jetzt war die Post gezwungen, ihre Briefmarken-Tresore zu öffnen, um mir die richtige zu verkaufen! Eine Aufgabe geschafft. Aber wo kriege ich die Postkarte? Und bei allem Respekt, was soll die Postkarte in dieser Stadt bitte darstellen? Bis auf die Moschee und den Fischmarkt erschien mir nichts würdig, auf einer Postkarte – die dann noch ins Ausland gehen sollte – abgebildet zu sein. Ein weiterer Postangestellte hatte Mitleid mit mir und zeigte auf Googlemaps, wo sich ein weiteres Postamt befand.

Ich fuhr also hin – so schnell gebe ich doch nicht auf. Dort angekommen, ging die ganze Geschichte wieder von vorne los. Keine Postkarten. 

Ich war schier verzweifelt, als eine Gruppe von Soldaten direkt bei mir eintraf. Mit so viel Autorität werden sie mir bestimmt helfen können. Und da ist einer mit einem goldenen Stern auf der Schulter! So ging ich zu dieser Gruppe und sprach gleich direkt den General an. Ich erklärte mein ausgesprochen wichtiges Anliegen. Er nahm mich unter den Arm und wir gingen wieder zum Postamt. Trotz seiner ganzen Ausstrahlung eines Generals konnte er leider doch nicht bewirken, dass da auf einmal aus dem Nichts Postkarten auftauchen. Dann telefonierte er noch ein paar Leute ab. Leider erfolglos… Er entschuldigte sich, gab mir die Hand, trommelte seine Truppe zusammen und fuhr davon. Ich gab schließlich auf. Die Briefmarken habe ich immer noch.

Bevor ich die Grenze zu Mauretanien überquerte, stoppte ich für die letzte Nacht in einem weiteren Hotel, ca. 80km vor der Grenze. Es war ok, es gab eine funktionierende Dusche, halbgroße Kakerlaken und Strom, um die Gerätschaften zu laden. 

Ich legte mich schlafen, jedoch wieder mit demselben mulmigen Bauchgefühl wie zwei Wochen zuvor in Spanien: schon wieder eine marokkanische Grenze, an der ich meine Drohne verlieren könnte. Ich packte alles um und versteckte das Fluggerät wieder im eingerollten Zelt. Vielleicht klappt es wie bei der Anreise? Die Hoffnung stirbt zuletzt.